Ohne Kriegsführung, Welteroberung und Massenvernichtung wäre der weltbürgerliche Glaube an Weltfrieden und allgemeine Bruderschaft vermutlich eine beschränkte europäische Erkrankung geblieben.
Mittwoch, 9. November 2011
Sonntag, 6. November 2011
Daß die bürgerliche Geisteshaltung die Armut und nicht die Entmenschlichung als vordringlich zu beseitigenden Zustand betrachtet, ist ein Zeichen dafür, wie entmenschlicht sie ist, und eine Übertragung seiner eigenen Besessenheit und Befürchtung. Sogar hier im Abendland, wo die Entmenschlichung inmitten eines Überflusses an Gütern gedeiht, wo die Armut kaum zu finden ist, befaßt sich jene Geisteshaltung doch immer noch ständig mit dem Reichtum und dessen Abwesenheit.
Samstag, 29. Oktober 2011
Montag, 24. Oktober 2011
Samstag, 22. Oktober 2011
Montag, 17. Oktober 2011
Könnten die Tatsachen ein Pferd kränken, so hätte der Zeitgeist schon entschieden, daß es weder Vollblüter noch Schindmähren gibt, sondern nur Ebenbürtige, und die Hippologie hätte sich mit der Anthropologie zusammengetan, um zu verkünden, der Glaube an Unterschiede sei eine böse und unwissenschaftliche Einbildung.
Sonntag, 2. Oktober 2011
Donnerstag, 29. September 2011
Mittwoch, 28. September 2011
Außerhalb der Stadtmauern bleibt die Horde nicht mehr und braucht sich nicht mehr auf körperliche Gewaltandrohung zu verlassen. Eingeladen, hereinzukommen, und angespornt, sich durch Worte statt Waffen auszudrücken, ist die Horde bis in die sittlich-geistige Hochburg vorgedrungen, jedem Wort und Begriff Gewalt antuend. Welches Wissensstück, welcher Gedankenturm, welche wohlüberlegte Haltung kann nun von der amok-kommentierenden Horde verschont bleiben? Hier ist ja kein Fortschritt, sondern ein Sturz.
Dienstag, 20. September 2011
Für ihren dauerhaften Zusammenhalt braucht die Gesellschaft sowohl die einrichtungsmäßige als auch die ausstrahlungskräftige Obrigkeit. Fehlt die erstere, das heißt, wo die Obrigkeit versäumt hat, ihre Wurzeln in Einrichtungen zu senken, wo die Obrigkeit allein durch die Ausstrahlungskraft aufkommt und aus dem Brunnen der Überlieferung nichts Verstärkendes zieht, da vergeht die Obrigkeit mit jedem Besitzer, und daraus gewinnt die Gesellschaft, wie reich an der ausstrahlungskräftigen Obrigkeit sie auch sein mag, keine laufende Pflege, sondern bestenfalls eine Aufeinanderfolge von flüchtigen und unbeständigen Gestaltungen.
Die ausstrahlungskräftige Obrigkeit verleiht der Gesellschaft Lebenskraft und Persönlichkeit, die einrichtungsmäßige Obrigkeit Tiefe und Standfestigkeit. Die in tiefem und festem Boden gepflanzte Lebenskraft gebiert Früchte, die ungepflanzte Lebenskraft dagegen kann ja wunderhübsch blühen—für einen Tag oder zwei. Keine Gesellschaft vermag zu allen Zeiten die mit der ausstrahlungskräftigen Obrigkeit begabten Menschen hervorzubringen. Es gibt Zeiten, in denen dieses Feld brachliegt, und wenn es auch zu diesen Zeiten wenig oder gar keine einrichtungsmäßige Obrigkeit gibt, so ist die Gesellschaft den freisinningen Gewalten ausgeliefert.
Ohne Wurzeln in Einrichtungen bleibt die Obrigkeit von der Laune des einzelnen Todes abhängig und dafür anfällig, vom nächsten gegenobrigkeitlichen Sturm umgeworfen zu werden.
Donnerstag, 1. September 2011
Mittwoch, 31. August 2011
Mittwoch, 24. August 2011
Eine Gefahr für die Wahrnehmungssteuerung, diejenige Aufgabe, die unsere freiheitlich-volkstümlichen Verwaltungen im Todernst verrichten müssen, liegt darin, daß sich im Laufe der Zeit zu viele Ungereimtheiten anreichern, woraufhin sich die Darstellung, die den Volksmassen vorgelegt worden ist, um ihren Anblick der Welt zu ersetzen, als unglaubwürdig erweist. Wenn Schaffenskraft in Unaufrichtigkeit erlahmt, keine neue starke Fäden webend, dann können sogar die Begriffsstutzigen anfangen, den Schleier zu durchschauen bis in die jenseitsliegende Welt. Für das eigene Über-leben können unsere Verwaltungen nicht zulassen, daß eine weit verbreitete Wahrnehmung der wirklichen Bedingungen entsteht. Der durchdringende Strahl der Wirklichkeit ist tödlich für sie, wie Sonnenlicht für Vampire.
Sonntag, 7. August 2011
Freitag, 8. Juli 2011
Sonntag, 12. Juni 2011
Mittwoch, 8. Juni 2011
Es ist eine merkwürdige Verleumdung, die der neuzeitliche Naturwissenschaftler ausspricht: der mittelalterliche Begriff des Weltalls sei der eines engen kleinen gewesen. [1] In einem der meistgelesenen Bücher des Mittelalters steht doch Folgendes geschrieben:
»Aus den Demonstrationen der Astrologie hat du erfahren, daß unsere Erde in ihrem ganzen Umfang nur als ein Punkt im Himmelsraum erscheint und daß man ihr im Vergleich zu der Unendlichkeit des Weltenraums eigentlich überhaupt keine Ausdehnung zusprechen kann.« [2]
Der mittelalterliche Gelehrte hielt das Weltall für unvorstellbar groß, nicht nur im Ausmaß, sondern auch in der Bedeutung. Der neuzeitliche Naturwissenschaftler hält dagegen das Weltall für überhaupt bedeutungslos, ausgenommen jenes kleinen Winkel desselben, worin er seine berufliche Laufbahn hat. [3] Da finden wir sicherlich ein beschränkter Kopf! Außerdem: »das Weltall wegen seines Ausmaßes zu bewundern ist sklavisch und irrwitzig.« [4]
. . .
1. Der gefeierte Witzbold Richard Dawkins sagt: “The universe presented by organised religion is a poky little medieval universe, and extremely limited.” [»Das von der Religion dargestellte Weltall ist ein enges kleines mittelalterliches Weltall, und äußerst eingeschränkt.«] Richard Dawkins, “A Survival Machine”, in The Third Culture, hrsg., J. Brockman (New York: Simon and Schuster, 1996), S.75.
2. Boethius Anicius Manlius Severinus, Der Trost der Philosophie, zweites Buch, am Netz auf www.pinselpark.org.
3. Die Bedeutung seiner Laufbahn und deren Ergebnisse müssen vermutlich außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge stehen.
4. [“to admire the universe for its size is slavish and absurd.”] Bertrand Russell, “My Mental Development”, in Russell on Religion: Selections from the Writings of Bertrand Russell, hrsg. L. Greenspan and S. Andersson (London: Routledge, 1999), p.27. (Ein seltener Augenblick der Weisheit von diesem sehr klugen Mann. Aristoteles hätte ihn als interessantes Fallbeispiel betrachtet.)
Donnerstag, 2. Juni 2011
Freitag, 27. Mai 2011
Sonntag, 22. Mai 2011
Samstag, 21. Mai 2011
Sixtinische Kapelle, Anno Domini 1512. Michelangelo weist dem Papst Julius II. die Früchte seiner Arbeit.
Papst. Also—ah, ja, gut.
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit.
Papst. Das ist ganz . . . was ist das?
Michelangelo. Was?
Papst. Das . . . der große Klecks da.
Michelangelo. Gott, Eure Heiligkeit.
Papst. Gott?
Michelangelo. Ja, Sie wissen schon, reiner Akt, notwendiges Sein, unendlicher Grund aller—
Papst. Ja, ja, aber ich meine . . . das ist ein großer Klecks.
Michelangelo. Nun, da gibts eine ganze Reihe von Darstellungs-schwierigkeiten bei einem unkörperlichen—
Papst. Nein, nein, das geht ganz und gar nicht! Sie müssen das einfach richtig übermalen.
Michelangelo. Jawohl, Eure Heiligkeit.
Am darauffolgenden Dienstag
Papst. Na, was haben . . . aha!—ein strenggesichtiger Bursche mit Bart. Ja, ja, das ist schon besser!
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit.
Papst. Genau das Richtige. Und insgesamt nicht wenig.
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit, es ist nur eine Kleinigkeit.
Papst. Gar nicht, gar nicht. Nun also, betreffs meines Badezimmers . . .
Sonntag, 15. Mai 2011
Freitag, 13. Mai 2011
Donnerstag, 12. Mai 2011
Die große Unmenschlichkeit des Liberalismus besteht darin, daß es wunschbildlich gleichgültig dagegen ist, wie jedermann als bestimmter Mensch verkörpert ist. Vielmehr soll jedermann als völlig austauschbare Einheit in einem System, das alles nur in der Abstraktion hält, gleich (»gerecht«) behandelt werden. Rasse, Kultur, Geschlecht, Überlieferung, geschichtliche Beziehungen, gesellschaftliche Bindungen sollen ohne Bedeutung sein. Dergleichen sind im Namen der Freiheit und des Fortschritts zu verstecken oder zerstören; und wer diesem riesenhaften Übel im Weg steht, dieser unvergleichlichen Zerstörung und Gegebenheitsverdüsterung, und wer sich für den Stellenwert und die Eigentümlichkeit einer oder anderer dieser Seiten der Wirklichkeit ausspricht, der muß als übel und wahnhaft verachtet werden. Sogenannte gute und freie Menschen dagegen—mit anderen Worten: die Heerschar der dem Liberalentum unterworfenen Leibeigenen—sollen mit Rassenblindheit, mit Kulturneutralität, mit Gleichgültigkeit gegenüber dem Verstecken und der Zerstörung fast alles dessen, was für eigentümliche, verkörperte Menschen sorgt, prahlen; und das warme Gefühl, das ihnen dadurch verliehen wird, mag als Lohn dafür stehen, daß sie Dienst an etwas leisten, was nicht einmal um ihret-, auch nicht um der Gesamtmenschheit, sondern um der Wirksamkeit eines unpersönlichen Regimes willen vorliegt—und dies alles unter Anleitung eines unmenschlichen Wunschbildes.
Dienstag, 10. Mai 2011
Montag, 9. Mai 2011
Das allerbeste Regime
Helgast. Sag mir, Saeligwer, was ist das allerbeste Regime?
Saeligwer. Das allerbeste ist bestimmt dasjenige, was das größte Glück der größten Zahl hervorbringt.
Helgast. Dann würdest du nicht sagen, daß wir, wenn wir die technischen Mittel hätten, alle Menschen glücklich und schmerzfrei zu machen, gemäß unserer Ethik verpflichtet wären, diese Mittel zu verwenden?
Saeligwer. Doch, und je eher und umfassender, desto besser. Solange und soweit wir sie nicht verwenden, leiden ja die Menschen.
Helgast. Ganz recht. Also, wenn das einzige Gute das Glück, und das einzige Böse das Unglück ist, und wenn Glück nur Lust oder vielmehr Wohlgefühl, und Unglück nur Unlust oder vielmehr Schmerz ist, wie wir schon längst anerkennen, dann, um eine bessere Welt zu machen, sollten wir nicht etwa gegen diejenigen Dinge und Ereignisse in der Welt ankämpfen, die wir für böse halten.
Saeligwer. Warum denn nicht?
Helgast. Erstens kann man sie nicht einfach aus der Welt wegnehmen, und zweitens wohnt diesen Dingen und Ereignissen nicht tatsächlich das Böse inne. Da wir ganz genau wissen, daß Dinge und Ereignisse nicht böse an sich sind, wäre es unsinnig, gegen sie anzukämpfen, als ob sie wären.
Saeligwer. Es stimmt schon, aber führen diese nicht das Böse herbei?
Helgast. Was ist das Böse? Nur ein Gefühl! Darin liegt es von Anfang bis zum Ende. Das muß aber nicht so sein. Entstehen muß es nimmer. Mögen wir doch endlich aufhören, in priesterlich-abergläubischem Müll umherzutasten, und hoch hinaufstreben!
Saeligwer. Was schwebt dir da denn vor?
Helgast. Wir sollten folgendermaßen verfahren: gegen das Fühlen, daß Dinge und Ereignisse böse sind, sollten wir ankämpfen. Denn das Böse ist, nur sofern es gefühlt wird, und ist so, nur wie es gefühlt wird. Nichts mehr. Wo ein Gefühl des Bösen nicht besteht, da besteht überhaupt kein Böses. Enthielte die Welt gar keine Gefühle, so gäbe es kein Gutes oder Böses darin; enthielte die Welt dagegen nur die Gefühle des Guten, so würde das Gute allein herrschen. Da nichts böse an sich ist, sondern nur sofern und wie es gefühlt wird, so ist es sinnvoll, das Böse anzufassen, worin es eigentlich liegt, das heißt, in Gefühlen und nicht in Dingen und Ereignissen.
Saeligwer. Großer Gott—du hast Recht! Fühlten alle, daß alles gut wäre, so gäbe es kein Böses, nur Gutes.
Helgast. Unter unserem Regime wären alle Menschen so konstruiert, daß sie unter allen Umständen glücklich wären. Kein Mensch würde die kleinstmöglichen Beleidigungen noch die größtmöglichen Folterungen leiden; und alle derartigen Taten wären doch erlaubt, denn keine Tat würde als böse oder schmerzhaft gefühlt werden, sondern nur als gut, und folglich wäre so.
Saeligwer. Denn Gut und Böse sind nur in Gefühlen und nicht in Dingen und Ereignissen.
Helgast. Genau. Könnten wir es so schaffen, daß jedermann über Mord und Todschlag glücklich wäre, gleichviel ob als Täter, Opfer, Zuschauer oder Nahestehender, so würden auch solche Bösen dabei zum Ende kommen. Wir kämpfen also nicht für die Tugend noch gegen das Laster, sondern für eine Neueinstellung aller Gefühle auf Lust. Auf dieser Weise besiegen wir das Böse und bekränzen das Gute.
Saeligwer. Unsere Vorfahren waren auf dem Holzweg!
Helgast. So scheint es.
Saeligwer. Und doch ist nicht unser Weg bloß ein schöner Traum? Wie errichtet man solch ein Regime?
Helgast. Das gehört nicht ganz zur Sache. Zweifellos gäbe es Neuro-, Gen- und Sozialtechnik, Neuropharmazeutik, Seelen-umformung und so weiter. Hier aber befassen wir uns nicht mit den Feinheiten der möglichen Mittel, sondern lediglich mit dem Wunschbild und der Richtigkeit des Zwecks, nämlich den Menschen so umzugestalten, daß, wie auch immer ihm die Eingabe sein möge, die Ausgabe als Lust und Wohlgefühl erfolgen wird. Die Technik wird uns ja bessere Mittel bringen, als diejenigen, die wir schon haben. Ich sage jedoch nicht, daß sich unser Regime verwirklichen wird, sondern nur, daß es grundsätzlich das allerbeste ist. Es mag wohl nur noch ein entfernter Traum bleiben, zu schön für die Menschheit, außer Reichweite der Technik, aber in Anbetracht dessen, was der neuzeitliche Mensch bereits glaubt, kommt es doch schon in Sicht.
Saeligwer. Meinst du, der weltanschaulichen Boden sei schon bereitet?
Helgast. Größtenteils. Allenthalben geht man davon aus, daß das Glück, wobei man die Lust oder das Wohlgefühl meint, das einzige Gute ist. Danach beurteilt man alle Regime aus Gegenwart und Vergangenheit, gegebenenfalls mit Lob oder Ablehnung, und ebenso müßte man aus dem gleichen Grund einräumen, daß das unsrige das allerbeste wäre. Aber in dieser Hinsicht spielen Trägheit und Folgewidrigkeit leider noch immer eine Rolle. Denkweise und Handlung haben sich der zugrundeliegenden Annahme noch nicht völlig angeglichen. Es verbleiben noch immer zu viele alte Verhaltensmuster, allein durch Gewohnheit und Gefühlsduselei gehalten. Doch hier gibt es viel Hoffnung. Denn mit der Zeit und ohne jene stützenden und richtunggebenden Ursachen werden diese Verhaltensmuster schwinden. Um zum allerbesten Regime zu gelangen, braucht sich der neuzeitliche Mensch endlich von alten Gewohnheiten und Aberglauben loszureißen und völlig an Erkenntnis und Aufklärung anzupassen.
Saeligwer. Aber liegt hier nicht ein Problem? Wenn der Mensch volle Aufklärung erzielt und so den Mord erlaubt, da dieser nicht böser wäre, als einen Apfel zu essen, vorausgesetzt, daß die Gefühle dabei gleich wären, dann würde dies nicht zum Zweck, das größte Glück der größten Zahl hervorzubringen, im Widerspruch stehen? Denn sicherlich bedeutet jeder Mord ein Mensch weniger, der sonst zu den Glücklichen gezählt worden wäre.
Helgast. Du machst, mein lieber Saeligwer, einen recht merkwürdigen Fehlgriff. Immer wenn wir von dem größten Glück der größten Zahl sprechen, verstehen wir natürlich darunter nur die größte Zahl deren, die tatsächlich leben. Es wäre vernunftwidrig, diejenigen zu zählen, die nicht leben. Unser Anliegen gilt den Lebenden allein. Die Hölle soll die Anderen besorgen!
Saeligwer. Ah ja, genau. Ich verstehe. Streben wir denn danach, einen Himmel des unveräußerlichen Gesamtglückes für alle Lebenden zu stiften!—unveräußerlich also bis rauf zum Augenblick des Todes!
Helgast. Laß uns es tun. Das Glück der Menschheit hat uns immer am Herzen gelegen. Erst jetzt haben wir wahrlich die Aussicht, ihre Erlöser zu werden.
Abonnieren
Posts (Atom)