Mittwoch, 24. August 2011

Eine Gefahr für die Wahrnehmungssteuerung, diejenige Aufgabe, die unsere freiheitlich-volkstümlichen Verwaltungen im Todernst verrichten müssen, liegt darin, daß sich im Laufe der Zeit zu viele Ungereimtheiten anreichern, woraufhin sich die Darstellung, die den Volksmassen vorgelegt worden ist, um ihren Anblick der Welt zu ersetzen, als unglaubwürdig erweist. Wenn Schaffenskraft in Unaufrichtigkeit erlahmt, keine neue starke Fäden webend, dann können sogar die Begriffsstutzigen anfangen, den Schleier zu durchschauen bis in die jenseitsliegende Welt. Für das eigene Über-leben können unsere Verwaltungen nicht zulassen, daß eine weit verbreitete Wahrnehmung der wirklichen Bedingungen entsteht. Der durchdringende Strahl der Wirklichkeit ist tödlich für sie, wie Sonnenlicht für Vampire.

Sonntag, 7. August 2011

Ich träume von einer Welt, in der all meine Totfeinde rechts-stehend sind, d.h. von einer in die Normalität zurückgeführten Welt.
Der Querdenker wird leicht auf einen Irrweg geführt; man braucht ihm nur den richtigen Weg zu weisen.
Es bleibt abzuwarten, ob sich eine Zivilisation gegen eine Horde mit politikwissenschaftlichen Diplomen bewaffneter Vollhorste erfolgreich verteidigen kann.
Der Trieb, die europäischen Völker zu zerstören, wird von der Forderung begleitet, jeder Mensch davon müsse die Zerstörung feiern, andernfalls werde er als böse verunglimpft. So eine schön gemachte und verfeinerte Grausamkeit ist fast bewundernswert.

Freitag, 8. Juli 2011

Wer sich bemüht, die von ihm schwer gefühlte Last der Geschichte und Erbschaft abzuwerfen, dem mag es wohl gelingen, den Leichtsinn eines Idioten zu erreichen.
Ehe die neuzeitliche Welt in den Kopf eindringen konnte, musste die Vornehmheit daraus hervorgelockt werden.

Sonntag, 12. Juni 2011

Auch wenn der höchstmögliche Ausdruck der menschlichen Gesellschaft durch die Fortschrittslust erzielt werden könnte, wäre die Gesellschaft nur von kurzer Dauer, denn die Lust würde darauf beharren, daß noch weitere Schritte zu machen bleiben.

Mittwoch, 8. Juni 2011

Es ist eine merkwürdige Verleumdung, die der neuzeitliche Naturwissenschaftler ausspricht: der mittelalterliche Begriff des Weltalls sei der eines engen kleinen gewesen. [1] In einem der meistgelesenen Bücher des Mittelalters steht doch Folgendes geschrieben:
»Aus den Demonstrationen der Astrologie hat du erfahren, daß unsere Erde in ihrem ganzen Umfang nur als ein Punkt im Himmelsraum erscheint und daß man ihr im Vergleich zu der Unendlichkeit des Weltenraums eigentlich überhaupt keine Ausdehnung zusprechen kann.« [2]
Der mittelalterliche Gelehrte hielt das Weltall für unvorstellbar groß, nicht nur im Ausmaß, sondern auch in der Bedeutung. Der neuzeitliche Naturwissenschaftler hält dagegen das Weltall für überhaupt bedeutungslos, ausgenommen jenes kleinen Winkel desselben, worin er seine berufliche Laufbahn hat. [3] Da finden wir sicherlich ein beschränkter Kopf! Außerdem: »das Weltall wegen seines Ausmaßes zu bewundern ist sklavisch und irrwitzig.« [4]

. . .
1. Der gefeierte Witzbold Richard Dawkins sagt: “The universe presented by organised religion is a poky little medieval universe, and extremely limited.” [»Das von der Religion dargestellte Weltall ist ein enges kleines mittelalterliches Weltall, und äußerst eingeschränkt.«] Richard Dawkins, “A Survival Machine”, in The Third Culture, hrsg., J. Brockman (New York: Simon and Schuster, 1996), S.75.
2. Boethius Anicius Manlius Severinus, Der Trost der Philosophie, zweites Buch, am Netz auf www.pinselpark.org.
3. Die Bedeutung seiner Laufbahn und deren Ergebnisse müssen vermutlich außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge stehen.
4. [“to admire the universe for its size is slavish and absurd.”] Bertrand Russell, “My Mental Development”, in Russell on Religion: Selections from the Writings of Bertrand Russell, hrsg. L. Greenspan and S. Andersson (London: Routledge, 1999), p.27. (Ein seltener Augenblick der Weisheit von diesem sehr klugen Mann. Aristoteles hätte ihn als interessantes Fallbeispiel betrachtet.)
Hierzulande wäre eine Atomapokalypse doch eine deutliche kulturelle Verbesserung.
Hinabsteigen werde ich von meinem hohen Roß, aber nur dann, wenn ich nicht dabei knöchelhoch im Dreck stehen muß.

Donnerstag, 2. Juni 2011

Wer die Gleichheitslehre übernimmt und vorantreibt, der weigert sich die Unzulänglichkeiten der Minderwertigen anzugeben, in der Hoffnung und der Forderung, daß die Höherwertigen dasselbe für ihn tun werden.
Der Nihilismus hat eine Unterhaltungswelt nötig.

Freitag, 27. Mai 2011

Eine über alle anderen obsiegende Weltanschauung gewinnt die besondere Ehre, Neutralität genannt zu werden.
Religion ist die regelgeleitete Suche nach dem, was einem fehlt. Deswegen dient die Vernunft als Religion der Modernen.
Dieses Land ist so im Laster versunken, daß ein Mensch, der nicht in den Tiefen desselben verweilt, sich dafür halten mag, zu den Höhen der Tugend aufgestiegen zu sein.

Sonntag, 22. Mai 2011

Die Dummheit der Tiere belustigt uns, wie etwa, wenn ein Hund seinem eigenen Schwanz nachjagt. Gegen solches Verhalten können wir Beispiele der nachdenklichen Menschheit anführen, wie etwa, wenn ein Mensch auf der Suche nach Selbstachtung geht.
Die meisten Leute sind anständig genug zu wollen, daß ihre Unanständigkeit unter dem Namen der Ehrlichkeit geht.

Samstag, 21. Mai 2011

Diejenigen, die das Freund-Feind-Denken verurteilen, pflegen dasselbe gegen diejenigen, die es empfehlen
Sixtinische Kapelle, Anno Domini 1512. Michelangelo weist dem Papst Julius II. die Früchte seiner Arbeit.

Papst. Also—ah, ja, gut.
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit.
Papst. Das ist ganz . . . was ist das?
Michelangelo. Was?
Papst. Das . . . der große Klecks da.
Michelangelo. Gott, Eure Heiligkeit.
Papst. Gott?
Michelangelo. Ja, Sie wissen schon, reiner Akt, notwendiges Sein, unendlicher Grund aller—
Papst. Ja, ja, aber ich meine . . . das ist ein großer Klecks.
Michelangelo. Nun, da gibts eine ganze Reihe von Darstellungs-schwierigkeiten bei einem unkörperlichen—
Papst. Nein, nein, das geht ganz und gar nicht! Sie müssen das einfach richtig übermalen.
Michelangelo. Jawohl, Eure Heiligkeit.

Am darauffolgenden Dienstag

Papst. Na, was haben . . . aha!—ein strenggesichtiger Bursche mit Bart. Ja, ja, das ist schon besser!
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit.
Papst. Genau das Richtige. Und insgesamt nicht wenig.
Michelangelo. Danke, Eure Heiligkeit, es ist nur eine Kleinigkeit.
Papst. Gar nicht, gar nicht. Nun also, betreffs meines Badezimmers . . .