Die Nihilisten gehen nicht weit genug: sie stellen das Sein und den Wert ihrer eigenen Gesinnung nicht in Frage.
Donnerstag, 29. September 2011
Mittwoch, 28. September 2011
Außerhalb der Stadtmauern bleibt die Horde nicht mehr und braucht sich nicht mehr auf körperliche Gewaltandrohung zu verlassen. Eingeladen, hereinzukommen, und angespornt, sich durch Worte statt Waffen auszudrücken, ist die Horde bis in die sittlich-geistige Hochburg vorgedrungen, jedem Wort und Begriff Gewalt antuend. Welches Wissensstück, welcher Gedankenturm, welche wohlüberlegte Haltung kann nun von der amok-kommentierenden Horde verschont bleiben? Hier ist ja kein Fortschritt, sondern ein Sturz.
Dienstag, 20. September 2011
Für ihren dauerhaften Zusammenhalt braucht die Gesellschaft sowohl die einrichtungsmäßige als auch die ausstrahlungskräftige Obrigkeit. Fehlt die erstere, das heißt, wo die Obrigkeit versäumt hat, ihre Wurzeln in Einrichtungen zu senken, wo die Obrigkeit allein durch die Ausstrahlungskraft aufkommt und aus dem Brunnen der Überlieferung nichts Verstärkendes zieht, da vergeht die Obrigkeit mit jedem Besitzer, und daraus gewinnt die Gesellschaft, wie reich an der ausstrahlungskräftigen Obrigkeit sie auch sein mag, keine laufende Pflege, sondern bestenfalls eine Aufeinanderfolge von flüchtigen und unbeständigen Gestaltungen.
Die ausstrahlungskräftige Obrigkeit verleiht der Gesellschaft Lebenskraft und Persönlichkeit, die einrichtungsmäßige Obrigkeit Tiefe und Standfestigkeit. Die in tiefem und festem Boden gepflanzte Lebenskraft gebiert Früchte, die ungepflanzte Lebenskraft dagegen kann ja wunderhübsch blühen—für einen Tag oder zwei. Keine Gesellschaft vermag zu allen Zeiten die mit der ausstrahlungskräftigen Obrigkeit begabten Menschen hervorzubringen. Es gibt Zeiten, in denen dieses Feld brachliegt, und wenn es auch zu diesen Zeiten wenig oder gar keine einrichtungsmäßige Obrigkeit gibt, so ist die Gesellschaft den freisinningen Gewalten ausgeliefert.
Ohne Wurzeln in Einrichtungen bleibt die Obrigkeit von der Laune des einzelnen Todes abhängig und dafür anfällig, vom nächsten gegenobrigkeitlichen Sturm umgeworfen zu werden.
Donnerstag, 1. September 2011
Mittwoch, 31. August 2011
Mittwoch, 24. August 2011
Eine Gefahr für die Wahrnehmungssteuerung, diejenige Aufgabe, die unsere freiheitlich-volkstümlichen Verwaltungen im Todernst verrichten müssen, liegt darin, daß sich im Laufe der Zeit zu viele Ungereimtheiten anreichern, woraufhin sich die Darstellung, die den Volksmassen vorgelegt worden ist, um ihren Anblick der Welt zu ersetzen, als unglaubwürdig erweist. Wenn Schaffenskraft in Unaufrichtigkeit erlahmt, keine neue starke Fäden webend, dann können sogar die Begriffsstutzigen anfangen, den Schleier zu durchschauen bis in die jenseitsliegende Welt. Für das eigene Über-leben können unsere Verwaltungen nicht zulassen, daß eine weit verbreitete Wahrnehmung der wirklichen Bedingungen entsteht. Der durchdringende Strahl der Wirklichkeit ist tödlich für sie, wie Sonnenlicht für Vampire.
Sonntag, 7. August 2011
Freitag, 8. Juli 2011
Sonntag, 12. Juni 2011
Mittwoch, 8. Juni 2011
Es ist eine merkwürdige Verleumdung, die der neuzeitliche Naturwissenschaftler ausspricht: der mittelalterliche Begriff des Weltalls sei der eines engen kleinen gewesen. [1] In einem der meistgelesenen Bücher des Mittelalters steht doch Folgendes geschrieben:
»Aus den Demonstrationen der Astrologie hat du erfahren, daß unsere Erde in ihrem ganzen Umfang nur als ein Punkt im Himmelsraum erscheint und daß man ihr im Vergleich zu der Unendlichkeit des Weltenraums eigentlich überhaupt keine Ausdehnung zusprechen kann.« [2]
Der mittelalterliche Gelehrte hielt das Weltall für unvorstellbar groß, nicht nur im Ausmaß, sondern auch in der Bedeutung. Der neuzeitliche Naturwissenschaftler hält dagegen das Weltall für überhaupt bedeutungslos, ausgenommen jenes kleinen Winkel desselben, worin er seine berufliche Laufbahn hat. [3] Da finden wir sicherlich ein beschränkter Kopf! Außerdem: »das Weltall wegen seines Ausmaßes zu bewundern ist sklavisch und irrwitzig.« [4]
. . .
1. Der gefeierte Witzbold Richard Dawkins sagt: “The universe presented by organised religion is a poky little medieval universe, and extremely limited.” [»Das von der Religion dargestellte Weltall ist ein enges kleines mittelalterliches Weltall, und äußerst eingeschränkt.«] Richard Dawkins, “A Survival Machine”, in The Third Culture, hrsg., J. Brockman (New York: Simon and Schuster, 1996), S.75.
2. Boethius Anicius Manlius Severinus, Der Trost der Philosophie, zweites Buch, am Netz auf www.pinselpark.org.
3. Die Bedeutung seiner Laufbahn und deren Ergebnisse müssen vermutlich außerhalb der natürlichen Ordnung der Dinge stehen.
4. [“to admire the universe for its size is slavish and absurd.”] Bertrand Russell, “My Mental Development”, in Russell on Religion: Selections from the Writings of Bertrand Russell, hrsg. L. Greenspan and S. Andersson (London: Routledge, 1999), p.27. (Ein seltener Augenblick der Weisheit von diesem sehr klugen Mann. Aristoteles hätte ihn als interessantes Fallbeispiel betrachtet.)
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